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Was ist eine Transition?
Als „Transition“ wird meist die Summe an Veränderungen bezeichnet, die trans Menschen durchlaufen, wenn sie, sozial oder köperlich hin zu Gewünschtem „transitionieren.“ Problematisch ist an diesem Wort so Einiges. Nicht nur wird damit ein vermeindlicher Anfang und ein vermeindliches Ende von einem solchen „Trans-Weg“ suggeriert, auch werden mit der „Transition“ ganz bestimmte Schritte verbunden. Oft werden diese Schritte (wie z. B. Hormone nehmen, Operationen usw.) dafür benutzt damit zu „messen“, ob Menschen auch wirklich trans genug seien. Das ist alles einfach nur eine einseitige und ganz schlimme Annahme darüber, wer trans sei und wer nicht. Meistens messen das außerdem Leute, die selber nicht trans sind und verhalten sich dementsprechend respektlos gegeüber Menschen, die ihrer Ansicht nach nicht trans genug seien. Als würden cisgeschlechtliche Menschen in ihrem Leben nicht auch ständig durch irgendwelche Veränderungen gehen (auch körperlich). Was ist zum Beispiel die Einnahme der Pille, wenn nicht Hormoneinnahme usw.? Kein Mensch würde deswegen behaupten, dass eine Geschlechtsidentität falsch wäre. Es gibt auch trans Menschen, die solche Messungen machen und damit andere trans Menschen diskriminieren. Das ist einfach auch unsolidarisch und ganz gemein und diffamierend und wird auch von cis Menschen oft als falsche Rechtfertigung genommen, dass die Bedürfnisse von trans Personen gleich sein müssten, z. B. so: „Ich kenne aber einen Transmann/ eine Transfrau der*die gesagt hat, dass nur Leute, die Hormone nehmen und OPs machen echt trans sind.“ So ein Argument ist ja wohl ganz unlogisch, schließlich gibt es so viele verschiedene Bedürfnisse bei trans Personen wie auch bei cis Personen.
Was
ist Gaslighting?
Gaslighting ist ein Prozess, in Laufe dessen die Erinnerungen oder Gedanken von einer Person durch andere Personen so beeinflusst werden, dass sie manipuliert werden und eins z. B. vergangene Ereignisse ganz anders wahrnimmt, als sie eigentlich passiert sind. Im Grunde glaubt eins dann, dass bestimmte Sachen gesagt, getan wurden, sei das jetzt von der Person selbst oder anderen, obwohl sie so garnicht passiert sind. Gaslighting habe ich im Zusammenhang mit trans-Sein und speziell mit nicht-binär-Sein schon sehr sehr häufig erlebt, aber meist habe ich erst im nachhinein gemerkt, was da passiert ist
Institutionelles Gaslighting im Leben von trans/ nicht-binären Menschen
Ein Beispiel: Nehmen wir z. B. meine beiden Gutachten vom TSG-Verfahren. Dort mussten die Gutachter unter anderem meine Kindheit genauer unter die Lupe nehmen und feststellen, ob ich schon immer nicht-binär war (das ist schließlich eine Richtlinie für das Gutachten und auch das gängige Trans-Narrativ: Hat sich schon immer als Mann/Frau gefühlt). Deshalb steht in den Gutachten z. B. drin, dass ich in meiner Kindheit sowohl mit Puppen gespielt, als auch Baumhäuser gebaut habe. Laut dem Gutachten kann ich ja schon wegen meiner Spielzeugpräferenzen in meiner Kindheit nur nicht-binär sein. Ich habe nämlich sowohl typisch mädchenhafte als auch typisch jungenhalfte Spiele gespielt. Irgendwann glaube ich dann selber, dass ich bestimmt schon immer meine Nicht-binarität so empfunden habe, auch als Kind: Aha ja, also ich muss mich wohl schon als Kind nicht-binär gefühlt haben! Wenn ich das dann glaube, ja wenn das gar zu einer meiner Rechtfertigungen wird, warum ich nicht-binär bin, dann wurde ich erfolgreich gegaslightet! Und nicht nur das, ich wurde nicht nur einfach so gegaslightet, sondern systematisch, strukturell, institutionell, nämlich von einer Struktur, die so aufgebaut ist, dass sie unweigerlich genau das mit mir macht: Den MDK-Richtlinien zur Begutachtung von "Transsexuellen."
Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen muss ich dann erst Mal differenzieren: Nein, so habe ich nicht schon immer empfunden, denn das Konzept von Nicht-binarität kenne ich sowieso erst seit ich ca. 22 bin. Wie zur Hölle soll ich mich denn vorher so identifiziert haben, wenn da nie so eine Option war? Außerdem war Geschlecht in meiner Kindheit kein großes Thema. Als ich in den 90ern aufgewachsen bin waren selbst die Kinderklamotten kaum gegendert. Ganz absurd wird es hier, weil ja meine Nicht-binarität mit Hilfe von binären Kategorien, wie vergeschlechtlichten Spielzeugtypen, gerechtfertigt wird. Soetwas verfestigt ja eher die Geschlechterbinarität als sie zu Gunsten nicht-binärer Identitätskonzepte zu dekonstruieren. Natürlich hatten die beiden Gutachter von meinem TSG-Verfahren nicht so viel Spielraum, was die Dekonstruktion von Geschlechterbinarität zu Gunsten meiner Geschlechtsidentität anging. Schließlich mussten sie sich immer noch im Rahmen der vom TSG vorgeschriebenen und offensichtlich absolut binaristischen Regelungen bewegen. Das heißt, damit ich überhaupt eine realistische Chance hatte, dass der Richter am Amtsgericht meine Namensänderung bewilligen würde, musste sich mein Lebenslauf diesen binaristischen Regelungen beugen, ganz egal ob ich nun eigentlich nicht-binär bin oder nicht.
Dieses Beugen und Ziehen und Strecken, das sind alles nicht unbedingt Unwahrheiten. Ich habe ja als Kind mit Puppen gespielt und auch Baumhäuser gebaut. Aber natürlich bestand meine Kindheit jetzt nicht nur aus Puppen und Baumhäusern. Diese beiden Dinge so stark herauszustellen, bei speziell ihnen eine binärgeschlechtliche Zuweisung vorzunehmen, diese dann zu verwenden, um eine angebliche Ambivalenz in meiner Kindheit auszumachen, die wiederum nötig ist, um den Richtlinien der TSG-Begutachtung gerecht zu werden, das ist doch schon ein ganzer absurder Brocken Bullshit, der rechtfertigen soll, dass ich WIRKLICH nicht-binäre bin, anstatt mir einfach zu glauben, dass es so ist und dass ich eben so lebe. Im Endeffekt sagt ja auch kein Mensch heute noch zu einer cis Frau: „Oh, du hast als Kind Baumhäuser gebaut und fandest Puppen irgendwie doof, denkst du nicht vielleicht du bist doch ein Transmann?“ Warum gibt es dann aber immer noch solche absurden Ansprüche an trans Menschen?
In meinen TSG-Gutachten steht z. B. auch drin, dass ich keine Hormone nehmen möchte...tja...hier stand ich nun, anderthalb Jahre später in meinem Berliner WG-Badezimmer und schmierte mir die ersten Dosis Testo-Gel auf die Arme. Geschlechtsidentität ist eben nicht unbedingt etwas statisches, genau wie alle anderen Teile der Identität von einer Person sich lebenslänglich stets verändern und umformen, je nachdem was wir für Erfahrungen machen, welches Wissen uns zugänglich ist und in welchen Umfeldern wir uns bewegen und wegen noch tausend anderer Dinge, vielleicht auch einfach einem Gefühl, einer Empfindung zu einem Moment.
Und wenn ich in zwei Jahren entscheide, dass ich kein Testo mehr nehmen will, dann ist das so! Da hat sonst keine andere Person was dazu zu sagen! Andere Leute setzen ständig Medikmente ab oder switchen zwischen unterschiedlichen Medikamenten hin und her, je nachdem welche besser für sie sind und da sagt auch niemensch etwas. Aber weil es hier um Transgeschlechtlichkeit und damit auch um Geschlechtsidentität geht, denken immer gleich alle sie hätten das Recht dazu etwas sagen zu können, besonders diejenigen, die im Leben überhaupt keine Erfahrung damit gemacht haben, wie es ist transgeschlechtlich zu sein. Ja, gerade DIE können bestimmt am besten einschätzen was gut für MEINEN Körper ist und was nicht, ich glaub die haben wohl eher einen paternalistischen Kontrollkomplex!
Trans-/Enby-Selbsthass und Rechtfertigungsnot
Sowohl für eines meiner TSG-Gutachten als auch für die Beantragung der Mastektomie musste ich einen sogenannten Translebenslauf schreiben. Es ist ganz detailliert fesgelegt, was dort drin stehen soll: Informationen darüber, wie eins mit der Familie klar kommt, welche Partner*innenschaften und Freund*innenschaften eins so führt usw. Ganz schön persönliche Sachen, die das Innerste berühren und die Krankenkasse ja wohl garnichts angehen. Trotzdem war ich gezwungen diesen Translebenslauf zu schreiben. Aber was schreibt eins denn in so einen Lebenslauf? Natürlich das, was die Krankenkasse hören will, ist ja klar, sonst bringt das alles ja nichts: Stabile Familienverhältnisse und guten Kontakt zu den Eltern, liebevolle Partner*innenschaften, auch wenn geoutet, enge Freund*innenschaften mit stetiger Unterstützung usw.? Jetzt Mal im ernst, welche Person kann schon von sich behaupten das perfekte Leben zu haben, mit den perfekten Bindungen, ob trans oder cis? Und welches weiß schon, ob die Person beim MDK, die am Ende diese wichtige Entscheidung für dein Leben trifft, obwohl sie dich nicht kennt, z. B. homophob ist und du deshalb lieber hetero sein solltest in deinem Translebenslauf und vielleicht auch besser monogam anstatt poly und am besten auch lieber sexuell „normal aktiv“ und nicht asexuell und kennnen die überhaupt das Wort demisexuell oder was?
Tragisch ist eben leider nur, dass einen solchen Translebenslauf zu
schreiben ganz schön viel Kraft und Durchhaltevermögen erfordert. Trans und nicht-binäre Personen werden, während sie sich ausdenken müssen, was für ein perfektes Leben sie haben sollen, nämlich immer wieder damit
konfrontiert, welche trans-feindliche
und nicht-binär-feindliche Scheiße eigentlich wirklich in ihrem
Leben abgeht. Für die Wahrheit darüber, wie scheiße manche Eltern mit dem Outing ihrer Kinder umgehen, wie toxisch manche vorherigen Freund*innenschaften nach dem Outing werden können und welche beschissene Kackscheisse manche Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen gegenüber trans und nicht-binären Menschen verzapfen (weshalb viele sich eben gar keinen verdammten 3-jährigen Alltagstest leisten können), ist im perfekten Translebenslauf nämlich kein Platz.
Ganz
im Ernst also: Viele der Sachen in solchen Translebensläufen werden
höchstwahrscheinlich eine geschminkte Form davon sein, was
eigentlich im realen Leben abgeht. Das ist auch nicht weiter
verwunderlich und auch nicht die Schuld der Personen, die diese
Lebensläufe schreiben müssen, nein! Das Problem ist das System, das
von ihnen verlangt möglichst perfekt zu sein und dieser Druck speist
sich aus homofeindlichen, heteronormativen und pathologisierenden
Richtlinien, um genau zu sein aus Vorstellungen, die aus den 80ern
stammen (eigentlich sogar aus den 70ern, denn sie orientieren sich an US-amerikanischen Theorien eines Inter*verstümmlers) so alt sind diese Richtlinien nämlich!
Es wundert also gar nicht, dass als trans und nicht-binäre Person eben auch Selbsthass zu entwickeln garnicht so unwahrscheinlich ist, wenn ich ständig dazu gezwungen bin meine Identität mit Un- oder Halbwahrheiten zu rechtfertigen. Wenn ich nämlich ständig in Erklärungsnot komme, aber die Leute die meine Identität „erklärt haben wollen“ überhaupt nicht die Voraussetzungen haben zu verstehen, wie sie sich konstituiert, ja eigentlich erst Mal eine 5-modulige Schulung besuchen müssten, um ihr normatives Weltbild zu dekonstruieren, damit sie das checken, was ich ihnen sagen würde, dann wundert mich garnichts mehr! Dann werde ich natürlich dazu gezwungen zu versuchen, meine Identität mit Hilfe von Dingen zu rechtfertigen, die diese Leute dann verstehen können, aber das ist eben meistens zum Scheitern verurteilt (aka. Puppen und Baumhäuser).
Vor allem kann das auch dazu führen, dass ich an diesen Dingen hängen bleibe und irgendwann selbst glaube, dass sie mich ausmachen. Voll toxisch, wenn ich dann immer darauf zurück greife, wenn ich wieder in die Situation komme, in der von mir erwatet wird meine Geschlechtsidentität zu rechtfertigen oder in der ich schon in vorgezogenem Gehorsam diese Dinge wieder aus der Kiste krame: So werden trans und nicht-binäre Personen in unserer Gesellschaft dazu gezwungen sich selbst zu gaslighten (aka der Selbsthass kommt bestimmt). Leider führt so ein internalisierter Selbsthass auch häufig dazu, dass das dringend benötigte gegenseitige Empowerment zwischen Menschen ausbleibt, die diese Diskriminierung erleben. Wenn nämlich deine trans Freund*innen dir sagen: "Sag doch du hast deinen Perosnenstand mit dem TSG geändert, dann glauben die dir, denn das ist so offiziell, dass sie dir glauben müssen!" Leider ist das Quatsch...wer mich schon so nicht respektiert tut es auch dann nicht, wenn meine trans Identität "offiziell" ist, denn das ist dann höchstens ein obrigkeitshöriger Move und hat nichts mit tatsächlicher Akzeptanz und Reflexion zu tun. Außerdem mache ich mich damit auch noch nackt, was meine medical history betrifft und das vor Leuten, die das überhaupt nichts angeht! In erster Linie sollte ich eben überhaupt nicht zu Rechtfertigung im Bezug auf meine Pronomen-und Namenwahl gezwungen werden! Schließlich muss sich auch keine cis Person rechtfertigen, warum sie jetzt cis sei, also cis people: DEAL WITH IT! Verwendet einfach meine verdammten selbstgewählten Pronomen, oder soll ich euch Mal misgendern?
Anders der Behauptung der meisten cis Leute aus den Vorstellungsrunden in Workshops die ich bisher gegeben habe, fanden es die meisten dann doch nicht so toll, wenn ich einfach irgendein „egals welches“ Pronomen für sie verwendet habe...Oje Leute, googelt einfach, oder bezahlt mich zumindest für diese Aufklärungsarbeit. Verdammt richtig: Ich habe seit langer Zeit damit aufgehört unbezahlte Aufklärungsarbeit zu machen! Deshalb schreibe ich nur noch für Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen wie ich, mit der Hoffnung auf deren und mein Empowerment.
Alles Liebe